27
Sep 12

Wanderung durch einen Feenwald


DER WEG IST DAS ZIEL
Wir kommen von Maccagno am Ostufer des  Sees, auf einer der vielen schmalen Straßen, die sich in zahllosen Kurven und Serpentinen in die mächtig aufragenden, dicht bewaldeten Berge winden. Auch hoch droben und in steilster Lage locken immer wieder pittoreske Bergdörfer mit ihren rustikalen Natursteinhäusern und verwinkelten Gassen und Treppen  zum Erkunden.

Sie ´überreden´ uns zu einem kleinen Abstecher, bezaubern uns mit  bunter Blütenpracht, spektakulären Aussichten auf den See und mit in der Sonne dösenden Katzen.

DER FEENWALD Der lichte Wald, der uns auf unserer ´Gratwanderung´ begleitet, ist einfach überwältigend schön: tausende von Birken mit ihren weißen Stämmen und ihren anmutigen Blätterschleiern bilden ihn.

Birken hatte ich bisher eher mit nordischen Wäldern in Verbindung gebracht. Da gibt es bei mir eine alte Erinnerung an einen nordisch-mystischen Birkenwald im schwedischen Hälsingland, der Boden bedeckt von Moospolstern und unzähligen Fliegenpilzen. Und mittendrin die einsame Hütte des alten, aus der Welt gefallenen Lars-Johan, der, wie man raunt, viele Jahrzehnte im Zuchthaus saß wegen der heißblütigen Eifersuchtstat seiner Jugend… aber das ist eine andere Geschichte. Also hier, hoch über dem Lago Maggiore, ein italienischer Birkenwald in der heißen, mediterranen Sommersonne! Ein Wald wie ein stattliches Ensemble gut gelaunter, weiß gewandeter Feen, die sich geschmeidig in der warmen Brise hier oben und in dem schmeichelhaften mediterranen Licht dehnen und räkeln.

Unvergeßlich auch das fortwährende murmelne Rascheln und Rauschen all der vielen, vom leichtesten Hauch bewegten Birkenblätter. Hier oben, weitab von allen Geräuschen der Zivilisation, ist das der anmutige Chor, der unsere Wanderung begleitet.

DIE GOLDENEN ELFEN Zu Füßen der Birken-Feen tanzte über weite Strecken ein graziöses ´Corps de ballet´ goldener, elfenhafter Geschöpfe, zusammen mit eleganten Kavalieren in Gestalt von Farnwedeln. Verschwenderisch bedeckte diese Pflanzengesellschaft große Flächen, floß anmutig die Hänge hinab und stand ebenso graziös still wie sie sich dann wieder im leichten Sommerwind wiegte. Wir konnten uns nicht sattsehen an dieser heiteren Anmut in immer neuen Variationen.

WER KANN WEITERHELFEN? Zu meiner Betrübnis muß ich allerdings gestehen, daß es mir bisher nicht gelungen ist, den botanischen Namen der goldenen ´Elfen´ zweifelsfrei ausfindig zu machen. Vielleicht kann hier ein(e) Leser(in) weiterhelfen und mir verraten, wie diese schöne Wilde heißt? Das würde mich sehr freuen!

RAST IM GRÜNEN Ein Gasthaus gibt es hier oben nicht. Auch keine Picknickplätze oder auch nur eine Bank. Man ist allein mit der Natur und sich selbst und dem Inhalt seines Rucksacks. Wir ließen uns einfach nieder inmitten des breiten, grasbewachsenen Weges durch den verzauberten Wald und genossen unsere bescheidene Wegzehrung. Der Boden war weich gepolstert und sonnenwarm, schöne Schmetterlinge umgaukelten uns. Eines der zarten Geschöpfe erkor ausgerechnet den Wanderstiefel meines Mannes für die Dauer unseres Aufenthalts zu seinem Platz zum Sonnenbaden.

BELLAVISTA Während wir auf dem Gratweg entlang gingen, hatten wir über weite Strecken gleichzeitige Ausblicke in zwei Täler: linkerhand lag tief unten der blaue Lago Maggiore und zur anderen Seite hatten wir atemberaubende Blicke in das vom Fluß Giona tief unten durchflossene Veddasca Tal und auf die angrenzende Berglandschaft mit ihren unendlichen, smaragdenen Laubwäldern aus vor allem Eichen und Eßkastanien.

Spektakulär auch die in den Gegenhang wie Skulpturen eingefügten Dörfer des Veddasca Tals, wie hier Curiglia, das wir sogleich zu besuchen beschlossen.

DAS ALTE BERGDORF Den Wendepunkt unserer Rundwanderung erreichten wir bei einem uralten Steindorf. Zwar trifft man hier oben immer noch Kühe und Ziegen, aber aus den ehemaligen Rusticos zur Bewirtschaftung der höher gelegenen Weiden sind, sehr authentisch renovierte, archaisch wirkende Ferienhäuser geworden. Den durstigen Wanderer erfreut inmitten des alten Weilers ein öffentlicher Brunnen mit gastlicher Bank und grandioser Aussicht. Von hier aus kann man dann auf einer weiter talwärts gelegenenen Forststraße bequem zum Passo della Forcora zurückkehren.


28
Aug 12

Hortensien – die Ballköniginnen der Gärten

Was könnte besser zu herbstlicher Stimmung passen als der morbide Charme verblassender Hortensien?

BLAUE PRACHT IM GEBIRGE Eigentlich waren wir an diesem heißen Spätsommertag im Hinterland des Lago Maggiore nicht direkt auf der Suche nach der ´blauen Blume´, sondern eher nach dem Einstieg für unsere geplante Wanderung. Was wir unweit des Passo della Forcora aber zunächst fanden, war ein ehemaliger Landgasthof mit einem alten, romantischen Garten voller blau blühender Hortensiensträucher. Hortensien sind für mich in zweierlei Hinsicht wahre ´Ballköniginnen´. Ihre ´Blüten´ aus Massen farbiger Schmuckblätter sehen aus wie üppige, wie aus Seidenpapier gefältelte Bälle. Und diese Blütenkugeln in ihrer verschwenderischen Fülle und Anmut erinnern mich stets an die rauschenden Reifröcke der Ballkleider vergangener Epochen. Hofball bei Sisi oder eben bei Viscontis „Leopard“ in den dekadenten Adelspalästen Siziliens…

STILIKONEN IM GARTEN Wie unsere weiblichen Modevorbilder einfach in jeder Situation passend angezogen sind, so passen sich auch Hortensien perfekt jedem Gartenstil an. Die Sträucher mit ihrem anmutigen Wuchs und den harmonischen Blütenbällen wirken erstaunlicherweise wie der Inbegriff von Landlust im Bauerngarten und können gleichzeitig die Diva mit dem Nonplusulta an Raffinesse und Eleganz im Schloßgarten geben. Die ursprüngliche Farbpalette von Hortensien changiert zwischen kräftigen wie zartesten reinen Blaunuancen bis hin zu den delikatesten Mauvetönungen verblichener Seidenstoffe.

Dazu Rosa in allen Schattierungen und Weißtöne. Weiße Hortensien sind besonders geeignet für romantische Gartenbilder. Im Verblühen überzieht oft ein Hauch von Altrosa oder Resedagrün die Blütenbälle, deren Weiße auch geringe Lichtmengen reflektiert und so auch dunkle Gartenecken aufhellt.  Da Hortensien wieder sehr in Mode gekommen sind, gibt es die Garten-Beautys jetzt auch in satten Rottönen und als zweifarbige Züchtungen. Wie alle vornehmen Geschöpfe lieben Hortensien allerdings kein Übermaß an Sonne, was sie aber um so wertvoller für schattige Gartenpartien macht.

VINTAGE-WEISS Dass Weiß von Hortensien kommt entweder rein und unschuldig daher wie die Weiße von Schwanenflügeln, oder ´sophisticated´ ins Grünliche spielend wie bei einem Kleid aus Vintage-Spitze. Unschlagbar in dieser Gruppe, was Wuchs- und Blühfreudigkeit betrifft: die ebenso anmutige wie robuste ´Annabelle´. In gemischter Gesellschaft ist diese Dame außerdem sehr unkompliziert und harmoniert mit vielen anderen Pflanzenpersönlichkeiten.

LANDKIND AUS DEM BAUERNGARTEN Das triumphale Rosarot der Bauernhortensien, die wir in einem Landhausgarten in einem kleinen Dorf im Elsass fotografierten, erschien mir als ein unüberbietbares Signal an Lebensfreude. Ich assoziierte sogleich die rosigen Wangen eines frischen Landmädchens und fühlte mich voller Nostalgie erinnert an ein rosafarbenes, überschwänglich mit Rüschen besetztes Tüllkleid, daß ich als junges Mädchen trug, als ich die Prinzessin in einer Märchenaufführung spielen durfte.

RETRO-LOOK Zusätzliche Attraktivität verleiht den Hortensien der Umstand, daß sie im Verblühen sehr dekorativ zu sanft gebrochenen Farbschattierungen verblassen. Hortensien sind in ihrem Dahinwelken umweht von einem Hauch von morbider Grandezza, der ihnen einen stilvollen Retro-Look verleiht und die unwiderstehliche Aura von ´fin de siècle´. Mich persönlich lassen Hortensien in diesem Stadium von alten Villen in der Toskana träumen, von den „Duineser Elegien“ von Rilke. Von geheimen venezianischen Gärten und Filmen von Visconti…

DAS TAL DER HORTENSIEN Besonders unvergeßlich haben mein Mann und ich dieses dekorative Dahinschwinden und Verblassen allerdings fern von allen italienischen Assoziationen einst in einem wundervollen Garten im Norden von Wales erlebt. Im weitläufigen, vom englischen National Trust unterhaltenen Bodnant Garden bei Conwy gibt es ein von einem hübschen kleinen Flüßchen durchflossenes, romantisches Tal, das kunstvoll-natürlich vor allem mit wunderschönen, inzwischen sehr alten, Hortensiensträuchern bepflanzt ist. Diese hatten bei unserem Besuch Ende September ihren finalen Auftritt. Ein grandioser Schwanengesang voller Melancholie!