Wiedersehen mit Sissinghurst, Teil II
Sissinghurst Revisited, Part II

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Ihr habt Euch hoffentlich ein wenig Zeit für unsere Verabredung reserviert? Ihr erinnert Euch, wir wollten noch einige Blicke in diesen oder jenen ‚Gartenraum‘ von Sissinghurst werfen, wie ich ihn bei meinem Besuch an einem regnerischen Maitag des letzten Jahres vorfand.

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DER WEISSE GARTEN – The White Garden

Der Garten des Pfarrhauses (Priest’s House),das wahrscheinlich im 17. Jahrhundert für den Hausgeistlichen von Sissinghurst gebaut wurde, war in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Kauf von Sissinghurst hauptsächlich mit Rosen bepflanzt.

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Erst nach dem großen Einschnitt des 2. Weltkriegs konnte Vita 1949 damit anfangen,im Pfarrhausgarten ihren lang gehegten Traum eines nur mit weißblühenden…

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… und grau- bzw. silberlaubigen Pflanzen gestalteten Gartenzimmers zu verwirklichen.Berühmt und für mich auch letzten Mai wieder wunderschön: Eine Weidenblättrige Birne, die die Statue der anmutigen ‚Kleinen Jungfrau‘ beschirmt (ein Bleiguß von 1935 nach dem hölzernen Original von Tomas Rosandic).

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In einem Artikel für den Observer beschreibt Vita Anfang 1950 ihre Absicht:
„Mein grauer, grüner und weißer Garten wird hinten eine hohe Eibenhecke haben, eine Mauer an einer Seite und einen Weg mit alten Ziegeln an der vierten Seite. Er ist im Grunde nichts weiter als ein ziemlich großes Beet, halbiert von einem kurzen Weg mit grauen Pflastersteinen,der an einer rohen Holzbank endet. Auf dieser Bank werden Sie mit dem Rücken zur Eibenhecke sitzen und von dort, hoffe ich, ein niedriges Meer aus grauen Blätterbüscheln überblicken, hier und da von hohen weißen Blumen durchbrochen.“

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Ich habe Euch ja beim letzten Mal schon berichtet, wie die Nicolsons ihre Wohnbereiche auf verschiedene, im Garten verstreute Gebäude verteilt hatten und so zwangsläufig jeden Tag die langen Wege ihres Gartens entlang wandeln mußten wie durch Hausflure, um von einem Bereich zum anderen zu gelangen.

Ich glaube, daß diese extravagante Wohnsituation auch der tiefere Grund war, warum Vita ihren weißen Garten gerade beim alten Pfarrhaus anlegte: wie berichtet, befand sich hier das Eßzimmer, wo die Familie zu Abend speiste. Danach mußten Vita und Harold in jeder Nacht den alten Pfarrgarten durchqueren, um zum South Cottage zu gelangen, wo sich ihre Schlafzimmer befanden.

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Aber während farbige Blüten längst von der Dunkelheit ‚verschluckt‘ worden sind, verstärken die Farben Weiß und Silber noch das kleinste bißchen Restlicht von Mond und Sternen und geben einem nächtlichen Garten mit ihrem schwachen, aber magischen Schimmern eine ganz besondere Romantik.

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Deshalb auch wirken weißblühende Glyzinien wie diese hier in Sissinghurst  in mondhellen Nächten in luftiger Höhe wie Wolken von Sternenstaub oder wie Geschwister des Mondlichts selbst. Zumindest für romantische Naturen wie Vita (und meine Wenigkeit).

Daß Vita als Gärtnerin in ihrem Garten nicht nur virtuose Pflanzenzusammenstellungen plante, sondern daß ihre romantische Ader auch poetische Stimmungen schaffen wollte, zeigt der Schlußsatz des erwähnten Artikels:
„So hoffe ich, daß im nächsten Sommer die große, gruselige Schleiereule in der Dämmerung leise über einen bleichen Garten streichen wird – den bleichen Garten, den ich gerade anpflanze, während die ersten Schneeflocken fallen.“

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Doch zurück zu meinem Besuch im späten Mai 2013. Nach dem schier endlosen Winter 2012/13 war auch der Weiße Garten von Sissinghurst insgesamt noch in einem recht frühen Frühlingsstadium. Seine wohl beste Zeit hat er sicherlich im Frühsommer, wenn die weißblütige ‚Rosa mulligani‘ über dem viel fotografierten, zentralen Pavillon blüht.

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Zum Vergleich: Bei meinem vorletzten Besuch zum gleichen Zeitraum blühte dort neben, natürlich weißen, Pfingstrosen und Schwertlilien auch üppig der Phlox!

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DER COTTAGE GARTEN
Vom zeitigen Frühjahr bis zum Herbst gleichermaßen attraktiv mit immer neuen Gartenbildern ist dagegen der Cottage Garten beim South Cottage. Vita und Harold, die hier ihre Schlafzimmer hatten, nannten ihn liebevoll „ihr Privatgärtchen“, denn er war einer ihrer bevorzugten Aufenthaltsorte in Sissinghurst.Vita bezeichnete diesen Gartenraum auch als ihren „Sonnenuntergangsgarten“, da sie die Bepflanzung allein aus den ’sonnigen‘ Farben Rot, Orange und Gelb komponiert hatte.

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Das zeigt schon, daß der Name auch ein klein wenig gärtnerische Koketterie oder englisches ‚understatement‘ enthält! Warme, starke Blütenfarben waren bei den traditionellen Pflanzen in herkömmlichen, bescheidenen Cottage Gärten nämlich eher selten und die Beschränkung auf ein bestimmtes Farbspektrum ohnehin unüblich.

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Am ehesten erinnert noch die für Vita typische zwanglose und ’natürliche‘ Art des Pflanzens an den traditionellen englischen Cottage Garten, in dem alles wild und vom Zufall gesteuert durcheinander wachsen darf.

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Aber natürlich ist auch die Bepflanzung von Vitas ‚Cottage Garten‘ bei genauerem Hinsehen wunderbar kunstvoll durchkomponiert, wobei die Komposition eher weniger traditionelle, alte Cottage Garten Pflanzen enthält, sondern viele moderne Kultursorten und auch etliche Exoten, wie im Frühjahr zum Beispiel diese Strauchpäonien in wundervollen Gelbtönen und im Sommer dann beispielsweise prachtvolles ‚Indisches Blumenrohr‘ (Canna).

Ich erwähne diesen Aspekt aber lediglich, weil ich ihn amüsant finde und weil er so gut zeigt, wie die Nicolsons nicht einfach ‚gärtnerten‘, sondern mit vielen Aspekten der Kulturgeschichte der Gartengestaltung spielten. Ich persönlich liebe es eben einfach, wenn sich die sinnliche Schönheit eines Gartens mit einer ‚hintergründigeren Dimension‘ verbindet, die ihm so etwas wie eine größere ‚geistige Tiefe‘ verleiht …

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Vor allem aber ist der Cottage Garden von Sissinghurst pure SCHÖNHEIT! Und so bin ich jetzt einmal ganz still (was nach Meinung von Mann, Kindern & guten Freunden nicht gerade zu meinen Stärken zählt) und zeige Euch jetzt einfach noch ein paar regenfeuchte Mai-Impressionen aus diesem bezaubernden, überaus inspirierenden Cottage Garten!

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DER OBSTGARTEN VON SISSINGHURST
Und ebenso ohne viele Worte möchte ich Euch zum Abschluß unseres Besuches in Sissinghurst einige Bilder …

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… einer wunderbaren ‚Pastorale‘ namens Obstgarten zeigen, die im späten Mai noch eingehüllt war …

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… in duftige Blütenwolken.

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Beim Durchwandeln dieser ländlichen Idylle fehlte eigentlich …

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… nur ein Orchester, das den ‚Frühling‘ aus Vivaldis „4 Jahreszeiten“ gespielt hätte!

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Aber auch ohne reale Klänge waren das Glücksmomente voller Musik für mich…

Ich hoffe, auch Ihr habt den kleinen Ausflug ein wenig genossen? Danke für Eure geduldige Begleitung!

And I apologize to my English speaking readers for not having had time enough for translation. I do hope the pictures themselves will tell you something about Sissinghurst!

Liebe Grüße
Christel

P.S. Und hier noch ein HINWEIS für die Leser des neuen Country Charme Magazins 2014:

Wie einige von Euch sicherlich schon wissen, durften mein Mann und ich wieder maßgeblich dieses neue Country Charme Bestellmagazin für das Jahr 2014 für das Allgäuer Familienunternehmen Country Charme Handels GmbH gestalten.

Im druckfrischen Magazin findet Ihr Ankündigungen von einigen Gartengeschichten auf meinem Blog, die mit  den Themen im Magazin und mit der Country Charme Collection 2014  korrespondieren bzw. diese ergänzen.

Hier nun noch einmal ein Überblick über die im Bestellmagazin Country Charme 2014 angekündigten Geschichten:

I.  Schon erschienen hier im Blog sind:

1. Gartenbesuch: Château Val Joanis in der Provençe

2. Wiedersehen mit Sissinghurst, Teil I und II

II. Demnächst werden in lockerer Folge erscheinen:

3. Tulpen, Statuen & ein Titel-Shooting – ein Tag in Pashley Manor

4. Claude Monet und Giverny oder: Die ländliche Leichtigkeit des Seins

5. Der Zaubergarten der großen alten Dame – ein Besuch bei Beth Chatto

6. Gärtnern wie im Paradies – die ’nackten Gärtner‘ von Abbey House Gardens in  Malmsbury

7. Welcome to Jane Austen Country! – Ein Besuch in der englischen Grafschaft Hampshire

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8 comments

  1. Liebe Christel,
    ich wusste schon, warum ich mir Deinen zweiten Teil so lange aufgespart habe. Irgendwie passte bisher nicht so ganz meine Stimmung. Ständig war ich zu müde oder abgehetzt oder wollte lieber selbst etwas posten. Aber heute früh war es der maigrüne regenfeuchte Garten mit leichtem Sonnenschein, der mich dazu verleitete endlich bei Dir vorbeizukommen, um zu genießen. Und es war genau der richtige Moment 🙂
    Ob ich es jemals nach Sissinghurst schaffe? Aber so wie du es in Bildern zeigst und schilderst, habe ich fast das Gefühl ich war jetzt schon mal da. Und wahrscheinlich könnte ich es als Tourist kaum so wahrnehmen. Daher ganz lieben Dank für diesen besonderen Post!

    Ich hoffe, Ihr könnt sonnig-warme und gemütliche Ostertage verleben!
    LG Silke

    • Liebe Silke, es freut mich sehr, daß ich Dir den speziellen Zauber von Sissinghurst offenbar ein wenig nahe bringen konnte! Dieser Garten und die Geschichte seiner Bewohner berührt mich selbst immer wieder und das möchte ich einfach gerne teilen…Natürlich sind letztendlich die meisten Gärten irgendwo das Abbild der Persönlichkeit ihrer Besitzer (oder deren Gärtner) und ich beschäftige mich besonders gerne mit diesen Aspekten. In Sissinghurst ist das besonders interessant, weil Vita und Harold als Intellektuelle einfach über jeden Aspekt ihrer Gefühle und Gedanken diesem außergewöhnlichen Flecken Erde gegenüber schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben.
      Liebe Silke, ich hoffe, Allegra geht es einigermaßen? Und natürlich auch der Maus! Auch ich wünsche Euch allen friedliche und sonnige Ostertage! Nun, im Moment sieht es hier im Süden eher nach kühlen Regentagen aus, dann wird es eben kuschelig…
      Liebe Grüße Christel

  2. Und wieder diese wundervollen Ziegelmauern mit Patina und Rankpflanzenbewuchs, liebstige Christel! Ich glaube, bei aller Begeisterung für die Gartenräume und das wundervoll Blühende und phantasievoll Gestaltete darin wecken diese Klinkerhäuser die größten Begehrlichkeiten in mir. Vielleicht, weil ich mit etwas Fleiß und gutem Willen zwar in der Lage wäre, Teile meines kleinen Gartens ebenfalls – wenn auch en miniature – „so ähnlich“ wie Vita zu gestalten – aber eine betagte Mauer wie die der Häuser in ihrem Garten, die kriege ich hier nicht zustande… Deine Bilder sehen übrigens keineswegs nach Massentourismus aus. Lag es es am Wetter? (Wobei deine Bilder auch nicht nach Regen aussehen…) Aber vielleicht machst du es ja so ähnlich wie ich und blendest andere Besucher nicht nur im Geiste nach Möglichkeit aus, sondern auch auf Fotos… Du hast über Chettinad geschrieben „Und wahrscheinlich geht es einem an einem solchen Ort in Indien auch als Tourist niemals so, wie ich es in Sissinghurst empfand und Du mir von Barcelona erzählt hast, oder?“ – und da kann ich dir vollkommen Recht geben, Chettinad ist noch ziemlich unberührt vom Tourismus. Sehr heftig hingegen ging es bei unserem ersten Indienbesuch beim Taj Mahal zu – das war extrem überlaufen, auch von sehr, sehr vielen indischen Touristen. Die haben allerdings für unsereins den großen Vorteil, dass sie auch sehr fotogen wirken, das heißt, sie stören mich auf Fotos nicht so sehr wie weiße Leute in kurzen Hosen und mit Sonnenhüten oder Regenschirmen ;o))
    So, du Liebe, und jetzt lass dich schwungvoll umärmeln – Herr Rostrose wandert schon nach Nahrung suchend durchs Haus, dabei werde ich ihn nun tunlichst unterstützen ;o))
    Hezrlichst, die Traude

  3. 7. März 2014

    Guten Tag liebe Christel,
    herzlichen Dank für Deine schönen Bilder und Deinem Beitrag von den Gärten auf
    Sissinghurst.
    Wunderschön, zauberhaft schön und romantisch !
    Man findet für diese Bilder kaum die richtigen Worte.
    Ich erfreue mich jedesmal daran und muss sie immer wieder anschauen, trotzdem
    heute die Sonne fast ein Loch ins Fensterglas brennt und auch ich noch heute
    Frühjahrsgarten-Arbeit verrichten will !!!
    Ich bewundere, auf Deinen Fotos, besonders auch die ‚weißblühende Glyzine‘ und die blühenden Obstbäume…. wie gesagt jedes Pflänzchen ist eine Wonne!
    Wir erfreuen uns zur Zeit auch an unserem bescheidenen Garten, an den vielen bunten Krokussen, den lieblichen Primelchen sowie Stiefmütterchen und noch immer blühenden Schneeglöckchen! Die Blümchen strahlen der Sonne entgegen.
    Wir freuen uns schon auf Deinen nächsten Beitrag und wünschen Dir und
    Deinen Lieben bis dahin alles Gute!
    Herzlich liebe Grüße
    Ulla & Family

  4. Liebe Christel,
    ich habe mir schon gestern und nun heute zwei mal Deinen schönen Bericht über das Wiedersehen mit Sissinghurst angesehen und durchgelesen. Ich könnte Dir auch wahnsinnig viel dazu schreiben. Wo fange ich an und wo höre ich auf? Vita`s weißer Garten. Ich kann sie verstehen, auch ich liebe meine weiß blühenden Pflanzen, die ich auch noch in der fortgeschrittenen Abenddämmerung von der Terrasse aus sehen, genießen, aber auch riechen kann. Dass der Garten dann auch noch genauso angelegt wurde und ausschaut wie geplant ist wundervoll.
    Dann dieser traumhafte Obstgarten mit den saftig grünen Wiesen darunter. Die blühenden Bäume machen ihn zu einerm paradiesisch wirkenden Traum.
    Der Bauerngarten sieht aus, wie man sich einen Bauerngarten eben vorstellt.
    Allerdings muss auch ich Lis Recht geben… Der Weg zum Schlafzimmer mus auch bei mir nicht durch noch so schöne Beete führen. Kurz muss er sein, da ich ihn eh immer erst gehe, wenn ich fast vor Müdigkeit umfalle. Dann muss ich nicht mehr wandern ;-).
    Fazit: Dieser Bericht von Dir ist ein Highlight im Bloggerland und Deine Bilder sind eh immer jedes für sich ein Eyecatcher.
    Ich wünsche Dir noch einen schönen Abend und Entspannung nach all der Arbeit der letzten Wochen.
    Viele liebe Grüße
    Birgit

  5. Immer, wenn ich `mal nicht so gut drauf bin, schaue ich mir Deine wunderschönen
    Fotos an und freue mich daran. Ich danke Dir dafür von ganzem Herzen.
    Auch der Katalog ist sehr schön gestaltet und dient manchmal als Vorlage für Garten-
    gestaltung. Herzliche Grüße Irene

  6. Wunderbar wie anschaulich du deine Besuche in andern Gärten und besonders in Sissinghurst schilderst., da glaubt man fast dass man direkt im Garten steht. Nur mit Vita und ihrem Mann hätte ich früher nicht tauschen wollen, weißer Garten hin oder her! Mir ist ein kurzer Weg ins Schlafzimmer lieber als vorher noch durch den Garten gehen zu müssen und sei er noch so schön 🙂

    LG Lis

    • Liebe Lis, da muß ich Dir doch wirklich Recht geben! Zwar findest Du mich an schönen Sommermorgen durchaus mal im Nachthemd mit einer Tasse ‚early morning tea‘ auf einer Gartenbank. Aber bei Schnee und Regen und eisigem Wind schaue ich mir meinen Garten doch auch lieber vom Fenster aus an! Dennoch hat die VORSTELLUNG vom Leben der Nicolsons etwas durchaus Romantisches für mich!
      LG Christel

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